Landgrafschaft Hessen-Homburg: Details
Von Dr. Katrin Wülfing
„Späte“ Verfassung für Hessen-Homburg
Gemäß Bestimmungen der auf dem Wiener Kongress 1815 verabschiedeten Bundesakte, wurde die wiederhergestellte Landgrafschaft Hessen-Homburg noch im selben Jahr Fürst Friedrich V. zurückübertragen. Zugleich erfuhr das Staatsgebiet mit der Einbeziehung des Oberamtes Meisenheim (heute in Rheinland-Pfalz gelegen) und einem Teil des ehemaligen französischen Départements Sarre eine Erweiterung.1 Trotz Mitgliedschaft der Landgrafschaft Hessen-Homburg im Deutschen Bund und der dort in Artikel 13 festgelegten Bestimmungen, die landständische Verfassungen für die Mitgliedsstaaten verlangten, war eine solche im Vormärz in der Landgrafschaft nicht vorhanden.2
Erst die Revolution von 1848 bewirkte diesbezüglich eine Veränderung. Am 5. März 1848 übergaben die Bürger der Landgrafschaft ihrem Fürsten einen Katalog mit Forderungen, darunter unter Punkt 11 auch die Forderung nach Erlass einer Verfassung. Landgraf Gustav stimmte dem Anliegen nicht nur zu, sondern beauftragte noch 1848 den Darmstädter Juristen Heinrich Karl Jaup mit der Entwicklung einer Verfassung.3
Bedingung für die ordnungsgemäße Verabschiedung einer Verfassung – auch das war integraler Bestandteil der Märzforderungen seitens der Bürger – war die Einberufung eines gewählten Landtags, der über die Verfassung, ein Wahlgesetz und die Geschäftsordnung des neuen Landtags entscheiden sollte. In direkter und geheimer Wahl wurde hierfür zunächst eine Art Vor-Parlament, auch Kammer der Abgeordneten, Konstituierender Landtag oder Landesversammlung genannt,4 bestimmt. Am 22. August 18485 wählte die Bevölkerung der Landgrafschaft insgesamt 13 Delegierte, von denen drei aus der Stadt Homburg stammten, drei aus den übrigen Orten des Amtes Homburg, zwei aus der Stadt Meisenheim und sieben aus den übrigen Orten des Oberamtes Meisenheim. Zwei Plätze im Konstituierenden Landtag blieben – offenbar aus Protest, weil Meisenheim einen eigenen Landtag forderte – unbesetzt.6 Die Wahlbeteiligung fiel zudem sehr gering aus; bei den gewählten Repräsentanten handelte es sich ausschließlich um lokale Honoratioren.7
Das Vor-Parlament tagte mehrfach, bildete Ausschüsse und verhandelte über die ihm übertragenen Aufgaben. Zur Beratung standen neben dem Entwurf für eine Verfassung auch die Modalitäten eines zukünftigen Wahlgesetzes, die Geschäftsordnung des Landtags und die neue Gemeindeordnung. Ende 1849 waren die Tagungen abgeschlossen und die Verfassungsurkunde fertiggestellt. Sie verband konstitutionell-monarchischen Elemente mit liberal-rechtsstaatlichen Prinzipien und wurde am 3. Januar 1850 vom Monarchen im Regierungsblatt verkündet.8
Bezirksräte und Landesausschuss als schwache parlamentarische Institutionen
Trotz der mit Wahlgesetz und Verfassung geschaffenen Voraussetzungen für die Wahl eines Landtags verzögerte sich diese. Auf Grund des abnehmenden öffentlichen Interesses und der Enttäuschung über die Ergebnisse der Frankfurter Nationalversammlung wurden erst im September 1850 Landtagswahlen durchgeführt. Weil der gewählte Landtag bis Ende des Jahres noch immer nicht zusammengetreten war und viele Abgeordnete inzwischen ihr Mandat niedergelegt hatten, musste im April 1851 erneut gewählt werden.9 Die Delegierten wurden für den 1. Mai nach Homburg einberufen; zu einem Zusammentreffen kam es dennoch nicht. Wenige Tage vor Beginn der Landtagssession am 20. April 1852, hob der seit September 1848 regierende konservative Landgraf Ferdinand die beschlossene Verfassung auf.10 Gleichzeitig verkündete er eine neue Verfassung, die zentrale Märzforderungen negierte. An die Stelle eines frei gewählten Landtags traten die 1849 eingerichteten Bezirksräte, die fortan die einzige parlamentarische Institution in der Landgrafschaft bildeten.11 Ihre 16 Mitglieder wurden nur teilweise von den Gemeindevorständen gewählt und ansonsten vom Fürsten ernannt.12 Ein Spiegelbild der Gesellschaft waren die Bezirksräte damit kaum, vielmehr verkörperten sie weiterhin Elemente einer altständischen Honoratiorenversammlung.
Die Bezirksräte arbeiteten nach Landesteilen (Homburg und Meisenheim) getrennt. Ihr angedachter Einfluss auf die Gesetzgebung blieb,13 auch auf Grund ihres sehr seltenen Zusammentreffens, begrenzt.14 Gleiches gilt für den aus beiden Gremien – den Bezirksräten von Homburg und Meisenheim – gebildeten Landesausschuss, dem – zumindest in der Theorie – Verantwortung bei der Verabschiedung des Staatshaushaltes zukam. Er tagte noch seltener, so dass der Einfluss der parlamentarischen Gremien in der Landgrafschaft Hessen-Homburg insgesamt als sehr gering einzuschätzen ist.
Ende der Landgrafschaft und Rezeption
Als 1866 mit Landgraf Ferdinand der letzte männliche Vertreter des Hauses starb, fiel die Landgrafschaft durch Erbvertrag an das Großherzogtum Hessen. Nach dem Krieg zwischen Preußen und Österreich wurde es 1866 an Preußen abgetreten und aufgeteilt: Das Amt Homburg wurde in die Provinz Hessen-Nassau eingegliedert, das Oberamt Meisenheim in die Rheinprovinz.15
Die Anfänge des Parlamentarismus in der Landgrafschaft Hessen-Homburg sind bis heute kaum erforscht. Fehlende Informationen zu Arbeitsweise und -ergebnissen der Bezirksräte und insbesondere zum Landesausschuss lassen nur wenige Rückschlüsse über den Wirkungsbereich und die Entscheidungsmöglichkeiten der Gremien zu. Funktion und Charakter können so kaum eingeschätzt werden; ob es sich um staatliche Repräsentationsorgane oder de facto parlamentarisch arbeitende Institutionen handelte, muss nach derzeitigem Kenntnisstand also unbeantwortet bleiben.16 Die Schlussfolgerung von Hartmut Heinemann, dass es sich bei der Landgrafschaft Hessen-Homburg am Ende ihres Bestehens bezüglich Verfassung und Parlamentarismus um einen der „rückständigsten Staaten“ des Deutschen Bundes handelte, scheint nach derzeitigem Forschungsstand jedoch zumindest plausibel.17
Tagungsort | keine Tagung, Landtag trat nie zusammen; angedacht war Homburg |
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Laufzeit | 1850 bis 1851 (lediglich auf dem Papier) |
Anzahl der Abgeordneten | unbekannt |
Ein- oder Mehrkammersystem | unbekannt |
Wahlsystem | unbekannt |
- Zum Territorium der Landgrafschaft vgl. auch Hubatsch, Walther (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte, Reihe A: Preußen, Bd. 11: Hessen-Nassau (einschl. Vorgänger-Staaten), Marburg 1979, S. 221f.
- Vgl. Heinemann, Hartmut: Landgrafschaft Hessen-Homburg (1806) 1815-1866, in: Heinemeyer, Walter (Hrsg.): Handbuch der hessischen Geschichte, Bd. 4: Hessen im Deutschen Bund und im neuen Deutschen Reich (1806) 1815 bis 1945, 2. Teilbd.: Die hessischen Staaten bis 1945 (1. Lieferung), Marburg 1998, S. 649-667, hier: S. 659.
- Vgl. ebd., S. 660.
- Vgl. Lengemann, Jochen: MdL Hessen 1808-1996. Biografischer Index, Marburg 1996, S. 32.
- Vgl. Heinemann: Landgrafschaft, S. 660.
- Vgl. Lengemann: MdL Hessen, S. 32.
- Vgl. Heinemann: Landgrafschaft, S. 660.
- Vgl. ebd.
- Vgl. ebd.
- Vgl. ebd. sowie Lengemann: MdL Hessen, S. 32.
- Vgl. Heinemann: Landgrafschaft, S. 661.
- Vgl. Lengemann: MdL Hessen, S. 32.
- Vgl. ebd.
- Vgl. Heinemann: Landgrafschaft, S. 661.
- Vgl. Lengemann: MdL Hessen, S. 33.
- Vgl. hierzu auch ebd.
- Vgl. Heinemann: Landgrafschaft, S. 661.